The Clientele: I Am Not There Anymore

The Clientele credit Andy Willsher

Seit rund 20 Jahre begeistert die englische Band The Clientele mit wunderschönen Folkpop-Alben. Gelingt ihr ein Aufbruch zu neuen Ufern?

von Werner Herpell

Weitermachen mit einem gut eingeführten Sound – oder den Horizont erweitern und munter drauflos experimentieren? Diese Frage stellen sich viele Künstler im Laufe einer Karriere, doch die meisten Schuster bleiben am Ende bei ihrem Leisten. Nicht so die englische Indiepop-Band The Clientele, die auf ihrem neuen Album mit dem programmatischen Titel „I Am Not There Anymore“ ins Risiko geht. Und dabei, zumindest aus Sicht dieses Reviewers, in Ehren scheitert (andere Kritiker vor allem im UK, das sei der Vollständigkeit halber hinzugefügt, bejubeln die Platte).

Abschied vom ultramelodischen Sound

The Clientele I Am Not There Anymore Cover Merge Records

In gleich 19 Liedern beziehungsweise

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instrumentalen Skizzen verabschiedet sich Sänger, Texter und Gitarrist Alasdair MacLean mit seinen Begleitern ein Stück weit von dem gern als „pastoral“ oder „ätherisch“ bezeichneten, ultramelodischen Britfolk- und Softpop-Kosmos, den man dank herausragender Alben wie „God Save The Clientele“ (2007), „Bonfires On The Heath“ (2009) und „Music For The Age Of Miracles“ (2017) liebgewonnen hatte. Schon der erste, gewiss ambitionierte, aber auch recht zerklüftete Track „Fables Of The Silverlink“ fällt durch eine Abkehr von der gewohnten Clientele-Zugänglichkeit auf.

Erst „Lady Grey“ nimmt mit dem klaren Fokus auf Piano, Gitarren und Strings den Faden älterer Platten auf, ohne den einstigen Zauber ganz erreichen zu können. „Dying In May“ und „Conjuring Summer In“ (ein Spoken-Word-Track mit Klaviergeklimper und Streicher-Ensemble) stellen anschließend wieder Dissonanzen in den Vordergrund. Und so geht es mehrfach hin und her mit einem zweifellos respektablen Mut zur Abkehr vom Wohlklang (speziell „My Childhood“ kann allerdings ziemlich nerven), während Lieder wie „Chalk Flowers“ und „Hey Siobhan“ dann doch Erinnerungen an die guten alten Zeiten wecken.

The Clientele: Mutiger und sperriger

Damit ist gar nicht gesagt, dass „I Am Not There Anymore“ eine schlechte Platte ist. MacLean hat sich lediglich die Freiheit genommen, seine Songwriting- und Arrangement-Künste in eine sperrigere Richtung zu lenken – weniger Nick Drake, mehr Soft Machine. „Wir haben uns schon immer für andere Musik als Gitarrenmusik interessiert“, sagt er über die aktuelle Ausrichtung an Avantgarde-Pop, Lounge-Jazz und Neoklassik. Für MacLean gibt es dennoch weiterhin Verbindungen zu älteren, harmonieseligeren Werken seiner Band: „Was wirklich in allen Clientele-Platten steckt, ist das Gefühl, nicht in dem Moment zu sein, in dem man sich befindet.“

Das Album „I Am Not There Anymore“ von The Clientele ist am 28.07.2023 bei Merge Records/Cargo erschienen.

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